Nach dem Inflationsschock von 2022 zeigen sich erste Anzeichen einer Abschwächung der Inflation. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich dabei um einen Rückgang der zyklischen Inflation handelt. Strukturelle Faktoren sprechen dafür, dass die Inflation auch in den kommenden Jahren erhöht bleiben dürfte. Insbesondere ist davon auszugehen, dass das langfristige Inflationsrisiko höher und die Bandbreite der möglichen Inflationsraten grösser sein dürfte als vor 2021.

 

Die säkularen Trends, die in den letzten drei Jahrzehnten als Antriebskräfte der Disinflation gehandelt wurden, haben sich in ihr Gegenteil verkehrt:

 

  • Die Globalisierung verlangsamt sich bestenfalls oder wird teilweise wieder umgekehrt und es kommt wieder verstärkt zu geopolitischen Spannungen
  • Die Regierungen werden es wahrscheinlich vorziehen, die angehäuften Staatsschulden durch eine höhere Inflation abzubauen, anstatt ihre Wähler höher zu besteuern
  • Die Energiewende erfordert grosse Vorabinvestitionen, die ressourcenintensiv sind
  • Die Alterung der Bevölkerung erhöht das Verhältnis von Verbrauch zu Produktion 

Portfolios sollten mittels Szenarioanalyse ausgerichtet werden

Viele Portfolios sind nach wie vor auf das disinflationäre Umfeld der Vergangenheit ausgerichtet und es fehlt eine ausreichende Diversifizierung in inflationsschützenden Anlageklassen. Die Ausrichtung auf die neue Ausgangslage sollte mittels Szenarioanalyse vorgenommen werden. Dabei muss man akzeptieren, dass «Genauigkeit» nicht erreicht werden kann. Es ist wichtig, bei der Szenarioanalyse pragmatisch und «bescheiden» zu sein. Zielsetzung muss es sein, einen groben Hinweis auf die Richtung und die Grössenordnung der Renditen aus jedem Szenario zu erhalten. Trotz der Einfachheit sollte folgenden Aspekten Rechnung getragen werden:

 

  • Unterschiedliche Zeithorizonte der Szenarien
  • Effekte des Szenarios auf die Bewertungen
  • Effekte des Szenarios auf die fundamentalen Erträge (Cash-flows).

 

Um sinnvolle Anlageentscheide treffen zu können, muss zudem verstanden werden, um welche Art von Inflation es sich in einem bestimmten Szenario handelt. Angebotsinduzierte Inflation (Cost-push) wirkt sich auf unterschiedliche Unternehmen anders aus als nachfrageinduzierte Inflation (Cost-pull). Inflation sollte zudem nicht isoliert betrachtet werden, sondern in Kombination mit passenden Wachstumsannahmen und politischen Rahmenbedingungen. Bei der Bildung und Parametrisierung der Szenarien hilft in manchen Fällen ein Blick in die Vergangenheit, in anderen Fällen müssen die Ereignisse neu kombiniert werden.

Breitere Diversifikation hilft, sich für verschiedene Szenarien zu wappnen

Basierend auf unserer Analyse zahlreicher Schweizer Portfolios können wir eine Reihe von Feststellungen machen:

 

  • Viele Investoren sind recht gut für Szenarien positioniert bei denen die Inflation die Zielvorgaben der Zentralbanken moderat übersteigt («Softlanding») oder bei denen die Zentralbanken die Realrenditen sehr niedrig oder negativ halten (Rückkehr Stimulus). Viele Schweizer Pensionskassen haben sich für einen solchen Fall mit substantiellen Immobilienportfolios positioniert. In vielen Fällen sollte jedoch geprüft werden, ob zusätzlich Infrastruktur und natürliche Ressourcen ergänzt werden sollen.
  • Viele Investoren sind übermässig anfällig für ein weiteres Überhitzungsszenario, bei dem die Inflation ausser Kontrolle gerät und die Zentralbanken wiederholt «durchgreifen» müssen. Das Zinsrisiko kann in solchen Fällen wichtiger werden als das Inflationsrisiko. Eine Diversifikation in Nominalwerte mit variablen Zinsen, wie z. B. Private Debt, helfen in diesem Szenario, Bewertungsverluste zu vermeiden.
  • Viele Investoren sind zudem anfällig für ein Stagflationsszenario, in dem Wachstum und Inflation die Zentralbank in unterschiedliche Richtungen ziehen. Neben einer dezidierten Berücksichtigung von rohstofforientieren Aktiensegmenten können in diesem Szenario auch Gold oder Rohstoffe zum Schutz vor Inflationsrisiken beitragen. Dies geschieht zumindest teilweise auf Kosten der langfristigen realen Renditen sowie der Einführung eines zusätzlichen Volatilitätselements.
  • Im Szenario einer harten Landung, d. h. einer disinflationären Rezession ist das Bild weniger eindeutig. Zwar könnten zahlreiche Investoren von Bewertungseffekten auf ihren Obligationenportfolios profitieren. Auf den Realwerten ist eine Diversifikation jedoch schwierig. Abhilfe schaffen in diesem Szenario Absicherungsstrategien wie z. B. Macro Hedge Funds oder auch Gold. 

Autor:

Philip Weber
Philip Weber
Head Investment Consulting bei Mercer Schweiz

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